Die Tage werden kürzer, die Nächte länger, und mit der Zeitumstellung scheint auch unsere Energie zu schwinden. Was viele als "Winterblues" abtun, ist für manche Menschen mehr als nur eine vorübergehende Verstimmung: Die Winterdepression – medizinisch auch saisonal-affektive Störung (SAD) genannt - tritt typischerweise in den dunklen Monaten von Oktober bis März auf und betrifft in Deutschland etwa 10-20% der Bevölkerung in unterschiedlicher Ausprägung.
Was sind typische Symptome der Winterdepression?
- Anhaltende Niedergeschlagenheit und gedrückte Stimmung
- Ausgeprägte Müdigkeit und Antriebslosigkeit
- Erhöhtes Schlafbedürfnis (Hypersomnie)
- Heißhunger auf Kohlenhydrate und Süßigkeiten
- Gewichtszunahme
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Sozialer Rückzug
- Gefühl von Schwere in Armen und Beinen
Gerade für Menschen in psychosozialen Berufen, die täglich für andere da sind und ohnehin mit hohen emotionalen Anforderungen umgehen, kann die dunkle Jahreszeit zur doppelten Belastung werden. Die gute Nachricht: Eine Winterdepression ist kein unabwendbares Schicksal. Es gibt wissenschaftlich fundierte Strategien, die nachweislich helfen können, den Symptomen entgegenzuwirken und gestärkt durch die dunkle Jahreszeit zu kommen.
Diese Strategien können einer Winterdepression entgegenwirken:
Diese Strategien wirken nicht als schnelle Wundermittel, sondern als nachhaltige Unterstützung für Ihr Wohlbefinden. Wir stellen Ihnen zwölf bewährte Ansätze vor, die Sie durch die dunkle Jahreszeit tragen können.
- Licht als Energiequelle – bewusst und regelmäßig: Versuchen Sie, jeden Tag mindestens 30 Minuten Tageslicht abzubekommen, idealerweise vormittags. Auch bei bedecktem Himmel ist das Außenlicht deutlich heller als jede Innenraumbeleuchtung. Ein Spaziergang in der Mittagspause kann Wunder wirken. Tageslichtlampen mit mindestens 10.000 Lux können eine sinnvolle Ergänzung sein, ersetzen aber nicht das echte Draußensein.
- Bewegung als Resilienzfaktor: Moderate Bewegung ist einer der wirksamsten Stresspuffer und stärkt nachweislich die Resilienz. Sie müssen kein Marathontraining absolvieren – schon 20 Minuten zügiges Gehen reicht aus, um Stresshormone abzubauen und Endorphine auszuschütten. Vielleicht können Sie sich einer Laufgruppe anschließen oder mit Kolleg*innen gemeinsam in der Mittagspause spazieren gehen. Die Verbindung von Bewegung und sozialem Kontakt potenziert die positive Wirkung.
- Digitale Achtsamkeit praktizieren: Gerade, wenn wir erschöpft sind, verfallen wir oft in passiven Medienkonsum. Doch stundenlanges Scrollen oder Serienschauen am Abend verhindert echte Erholung. Digitale Achtsamkeit bedeutet: bewusst entscheiden, wann und wie Sie digitale Medien nutzen. Vielleicht legen Sie konkrete Zeiten fest, in denen das Smartphone tabu ist, oder richten eine "digitale Abendroutine" ein, bei der Sie eine Stunde vor dem Schlafengehen alle Bildschirme ausschalten.
- Soziale Kontakte aktiv pflegen: Der Rückzugsimpuls im Winter ist stark, aber soziale Isolation verschlimmert sowohl Burnout als auch Winterdepression. Verabreden Sie sich verbindlich mit Menschen, die Ihnen guttun. Auch wenn es manchmal Überwindung kostet – meist fühlen Sie sich hinterher besser.
- Strukturen und Routinen bewusst gestalten: Feste Routinen geben Halt, wenn die innere Orientierung schwierig wird. Ein regelmäßiger Schlafrhythmus, feste Essenszeiten und kleine Rituale (der Tee am Morgen, die zehn Minuten Lesen vor dem Schlafen) können stabilisierend wirken. Gleichzeitig sollten diese Routinen nicht zu weiteren "Pflichten" werden, die Stress erzeugen.
- Vitamin D gezielt supplementieren: In den Wintermonaten kann der Körper aufgrund mangelnder Sonneneinstrahlung kaum eigenes Vitamin D produzieren. Ein Mangel kann depressive Symptome verstärken. Sie können Ihren Vitamin-D-Spiegel bei Ihrem/Ihrer Hausarzt/-ärztin überprüfen lassen und bei Bedarf supplementieren.
- Alkoholkonsum bewusst reduzieren: Alkohol mag kurzfristig entspannen, verschlechtert aber die Schlafqualität erheblich und verstärkt depressive Verstimmungen. Gerade in der dunklen Jahreszeit, wenn die Stimmung ohnehin gedrückt ist, kann regelmäßiger Alkoholkonsum zum Teufelskreis werden. Versuchen Sie, alkoholfreie Tage einzulegen oder ganz auf Alkohol zu verzichten.
- Meditation und Achtsamkeitsübungen etablieren: Regelmäßige Achtsamkeitspraxis kann nachweislich dabei helfen, besser mit negativen Gedanken und Emotionen umzugehen. Schon zehn Minuten täglich können einen Unterschied machen. Es muss nicht gleich die perfekte Meditation sein – auch Atemübungen, Body-Scans oder achtsames Spazierengehen zählen dazu. Apps oder geführte Meditationen können den Einstieg erleichtern. Hier finden Sie Übungen für mehr Achtsameit.
- Grübeln erkennen und unterbrechen: Eine Winterdepression geht oft mit vermehrtem Grübeln einher – einem endlosen Gedankenkarussell ohne Lösung. Lernen Sie, Grübelphasen zu erkennen: Kreisen Ihre Gedanken immer wieder um dasselbe Thema, ohne dass Sie vorankommen? Dann hilft es, bewusst den Fokus zu verschieben: Stehen Sie auf, wechseln Sie den Raum, rufen Sie jemanden an oder notieren Sie Ihre Gedanken schriftlich, um sie aus dem Kopf zu bekommen.
- Feste Schlafenszeiten einhalten und ausreichend schlafen: Auch wenn das erhöhte Schlafbedürfnis ein Symptom der Winterdepression ist, hilft ein regelmäßiger Schlafrhythmus dabei, den Tag-Nacht-Rhythmus zu stabilisieren. Gehen Sie möglichst zur gleichen Zeit ins Bett und stehen Sie zur gleichen Zeit auf – auch am Wochenende. Vermeiden Sie jedoch übermäßig langes Schlafen (mehr als 9-10 Stunden), da dies die Symptome verstärken kann.
- Auf ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung achten: Der typische Heißhunger auf Süßes und Kohlenhydrate bei einer Winterdepression führt oft zu unregelmäßiger, einseitiger Ernährung. Versuchen Sie, regelmäßige Mahlzeiten mit viel Gemüse, Vollkornprodukten, gesunden Fetten und ausreichend Protein zu sich zu nehmen. Omega-3-Fettsäuren (aus Fisch, Walnüssen oder Leinsamen) haben einen positiven Effekt auf die Stimmung.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn nötig: Wenn die Symptome trotz Selbsthilfe-Maßnahmen anhalten, sich verschlimmern oder Ihren Alltag massiv beeinträchtigen, zögern Sie nicht, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Hausärzt*innen, Psychotherapeut*innen oder psychiatrische Fachärzte können Ihnen weiterhelfen. Bei mittelschwerer bis schwerer Winterdepression kann auch eine Lichttherapie unter fachlicher Anleitung oder eine zeitlich begrenzte medikamentöse Behandlung sinnvoll sein.
Wenn Sie sich in einer akuten Krisensituation befinden oder vermuten, dass jemand in Ihrem Umfeld in einer psychischen Krise steckt, finden Sie in unserem Blogartikel Erste Hilfe bei psychischen Krisen wichtige Anlaufstellen und Erste-Hilfe-Maßnahmen.
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Unser Tipp für die dunkle Jahreszeit: ein Selbstfürsorgetagebuch führen
Ein Selbstfürsorgetagebuch vereint alle oben genannten Strategien und hilft Ihnen, achtsam mit sich umzugehen. Die Vorteile auf einen Blick:
- Bewusste Tagesplanung mit Zeit für das, was Ihnen guttut
- Entlastende Reflexion für einen ruhigeren Schlaf
- Dankbarkeitsübungen, die nachweislich Stress reduzieren und positive Emotionen fördern
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Kleine Schritte, große Wirkung
Die dunkle Jahreszeit fordert uns heraus – aber sie muss uns nicht überfordern. Die vorgestellten Tipps wirken nicht über Nacht, und nicht jeder Ansatz passt für jeden Menschen gleich gut. Aber wenn Sie auch nur drei oder vier dieser Strategien regelmäßig umsetzen, werden Sie einen Unterschied spüren.
Der wichtigste Schritt ist, überhaupt anzufangen. Nicht perfekt, nicht alles auf einmal, sondern mit Selbstmitgefühl und realistischen Erwartungen. Ihre psychische Gesundheit ist keine Zusatzaufgabe auf Ihrer ohnehin langen To-do-Liste – sie ist die Grundlage für alles andere. Gerade in der dunklen Jahreszeit verdient sie Ihre volle Aufmerksamkeit.
Wichtiger Hinweis: Die Winterdepression ist eine spezifische Form der Depression mit saisonalem Muster. Die meisten Depressionen sind keine Winterdepressionen. Bei einer "klassischen" Depression mittleren bis schweren Grades reichen diese Selbsthilfe-Maßnahmen nicht aus – hier ist unbedingt professionelle therapeutische und ggf. medikamentöse Behandlung erforderlich.
