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Deeskalation von Konflikten

(Verbale) Gewalt im öffentlichen Dienst

Viele Menschen in sozialen Einrichtungen kennen gewaltvolle Situationen: Gewalt und Aggressivität sind leider keine Seltenheit in den Kundenbeziehungen in Behörden oder zum Beispiel auch im Gesundheitswesen. Vor allem verbale Konflikte spielen eine große Rolle, oft bleibt es aber nicht dabei. Auch Drohungen, Sachbeschädigungen oder körperliche Gewalt kommen regelmäßig vor. 
Im Juni 2022 stellte das Bundesministerium für Inneres und Heimat die Ergebnisse einer Studie über Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst vor. Im Auftrag des Ministeriums hatte das Deutsche Institut für öffentliche Verwaltung bereits vorhandenes Datenmaterial ausgewertet und durch eine umfangreiche Beschäftigtenbefragung ergänzt.

Die Studie liefert erstmals flächendeckende Zahlen zur Häufigkeit von Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst: 23 % der Beschäftigten gaben an bereits Gewalterfahrungen während der Arbeit gesammelt zu haben – 12 % haben sogar mehrmals im Jahr Gewalt am Arbeitsplatz erlebt. Unterteilt nach den einzelnen Berufsgruppen zeigt sich, dass circa 10 % der Beschäftigten in der Sozial- und Arbeitsverwaltung gewaltvolle Handlungen erlebt haben. Männer sind dabei etwas häufiger als Frauen betroffen. 

Dass wir es mit einem ernsthaften Problem zu tun haben, zeigt auch, dass sich bereits Netzwerke zum Schutz vor Gewalt in Behörden gebildet haben. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, kurz KGSt, gründete Anfang 2022 das landesweite Präventionsnetzwerk #sicherimDienst. Das Netzwerk bietet vor allem Beratung bei der Frage wie man ein sicheres Arbeitsumfeld im Behördenalltag schafft. Außerdem erhält man Unterstützung bei der Frage wie (kommunale) Beschäftigte mit potenziellen Gewaltsituationen umgehen können. 
Um sicher dieser Frage anzunehmen, ist es zunächst wichtig zu wissen, was Konflikte überhaupt sind und wie sie entstehen. 

Was sind Konflikte?

Konflikte sind vielgestaltig und finden auf unterschiedlichen Ebenen statt, somit ist eine allgemeingültige Definition schwierig. Möglichst weit gefasst kann hier aber die Definition des Friedensforschers Johan Galtung herangezogen werden: 

„Wir definieren Konflikt als eine Eigenschaft eines Systems, in dem es miteinander unvereinbare Zielvorstellungen gibt, so dass das Erreichen des einen Ziels das Erreichen des anderen ausschließen würde.“

 

Konflikte sind per se nichts Schlechtes – vielmehr gehören sie zum gesellschaftlichen Zusammenleben dazu und sind häufig der Anstoß für eine Veränderung. 

Des Weiteren sind am Konflikt Beteiligte nicht immer mit den Betroffenen gleichzusetzen, d.h. das System muss weiter gefasst werden. So sind bei einem Streit zwischen Elternteilen ebenso die Kinder betroffen. Andererseits muss eine Beteiligte nicht immer gleichzeitig die Verursacherin des Konfliktes sein, z.B. wenn ein Kassierer eine Kundin angeht, obwohl sein Unmut sich gegen seinen Vorgesetzten richtet.

Wie entwickeln sich Konflikte?

Ein Konflikt entsteht nicht einfach so. Er durchläuft in der Regel verschiedene Phasen. Nach dem Phasenmodell der Eskalation von Friedrich Glasl (1980) gibt es neun Eskalationsstufen zur Analyse von Konflikten. In seinem Model beschreibt Glasl wie sich Konflikte entwickeln. Es ist sehr interessant, um aus einer theoretischen und rationalen Perspektive zu verstehen welche verschiedenen Phasen ein Konflikt durchlebt. Zusammengefasst beschreibt Glasls Theorie, dass sich Konflikte zwischen zwei Parteien so hochschaukeln können, dass am Ende nur noch der „Sieg über den Gegner“ als Ziel akzeptabel ist. Gleichzeitig liefert die Aufschlüsselung Glasls auch Erkenntnisse über Handlungsmöglichkeiten, um diesen Eskalationsstufen entgegen zu wirken. Diese Handlungsmöglichkeiten sind unter anderem Teil unserer Weiterbildung zum Deeskalationscoach. 

Aber wie kann man den Prozess der Eskalation im Alltag eindämmen – oder anders gefragt: wie kann man deeskalieren, sodass es gar nicht erst bis zur letzten Eskalationsstufe kommt? 

Wie kann man (systemisch) deeskalieren?

Wir wollen Ihnen an dieser Stelle praktische Tipps geben, wie man dieser Eskalationsspirale entkommen kann.

1. Abstand und Zeit

Manchmal ist man innerhalb einer Auseinandersetzung extrem aufgebracht, wütend, traurig, außer sich! Aber in diesem Zustand hat der Verstand kaum eine Chance. Daher lohnt es sich, soweit es möglich ist, den Konflikt zu verlassen. Denn Wut, Ärger, Verletzung oder schlicht die Überforderung mit der Situation verhindern meist die Einigung. Sie können Ihrem Gegenüber erklären, dass Sie beide gerade zu aufgebracht sind, um eine zufriedenstellende Lösung zu finden und Sie das Gespräch vertagen möchten. In dieser Zeit kann sich die Wut legen, die Gemüter beruhigen und im besten Falle ist eine spätere, vernünftige Klärung möglich.

2. Unsere Körpersprache in Konflikten

Unsere Körpersprache ist zum Beispiel ein sehr zentraler Aspekt in der Kommunikation, ganz besonders in Konflikten und Gewalt. Das Wissen darüber, welche nonverbalen Mittel eher provozierend und anheizend und welche eher beruhigend und deeskalierend sein können, kennzeichnen den konstruktiven Umgang mit Konflikten.
Unsere Mimik und Gestik, Blickkontakt und Blickrichtung, Körperhaltung und Bewegung, diese nonverbalen Mittel sagen viel über unseren Gemütszustand oder unsere generelle Haltung gegenüber Situationen aus. 

In Konfliktsituationen bewährt sich eine neutrale Körperhaltung, da sie wenig Spielraum für Interpretationen lässt und dem Gegenüber hilft, sich auf das Gesagte zu konzentrieren. So kann man im Sitzen die Arme mit Handflächen nach unten, locker auf den Oberschenkeln ablegen, die Füße hüftbreit nebeneinander und fest auf dem Boden abstellen. Ein aufrechtes Sitzen signalisiert Aufmerksamkeit, wohingegen ein Hineinsacken in den Stuhl eher demotiviert und wenig selbstbewusst wirkt; das Sitzen auf der Stuhlkante wirkt ängstlich und bereit zur Flucht.

3. Zwischen den Zeilen

Ein weiterer Rat: in einer angespannten Situation sollte lieber über das Telefon oder persönlich kommuniziert werden als auf schriftlichem Wege. Egal ob es sich um Momente im beruflichen oder privaten Kontext handelt – Textnachrichten lassen oft viel Spielraum für Interpretationen und Missverständnisse. Potenziell konfliktgeladene Anliegen sollten daher lieber telefonisch oder face-to-face besprochen werden: Hier geben Tonalität der Stimme oder die Körpersprache weitere Hinweise zur Intention des Anliegens. 

Was macht ein systemischer Deeskalationscoach?

Grundlegendes Ziel eines systemischen Deeskalationscoaches ist es, den Konflikt bearbeitbar zu machen. Insbesondere schwelende Konflikte können so an die Oberfläche geholt und es kann mit allen beteiligten Parteien eine befriedigende Lösung erarbeitet werden. 

Dabei ist es hilfreich, festgefahrene Denkmuster aufzuweichen und Klienten*innen zu alternativen Denk-, Wahrnehmungs- und Interaktionsmustern einzuladen, um so neue Verhaltensoptionen zu ermöglichen. Hinter dieser etwas abstrakten Formulierung verbergen sich zum Beispiel zwei konkrete Mechanismen:


Zugeständnisse einräumen
Wenn Sie sich zum Beispiel zumindest die Möglichkeit eingestehen, dass ihr Gegenüber auch Recht haben könnte, ebnen Sie damit den Weg hin zur Deeskalation. Jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen und daher auch eigene Sichtweisen auf Situationen und Konflikte. Indem Sie einräumen, dass die andere Partei ebenfalls Recht hat, können Sie ihre eigene Meinung sachlich anschließen und darauf hinweisen, dass verschiedene Perspektiven unterschiedliche Sichtweisen erzeugen. 

Zuhören
Haben Sie genau zugehört, was Ihr Gegenüber sagt? Versuchen Sie das Gesagte in Ihren eigenen Worten zu wiederholen. Sie signalisieren Ihrem Gegenüber, dass Sie zuhören und gleichzeitig erkennt Ihr Gegenüber, ob die gesendete Information richtig ankommt.

Falls möglich sollten Sie ihrem Gegenüber in mindestens einem Punkt zustimmen. Das zeigt dem/der Anderen, dass er/sie gehört wurde und grundsätzlich ernst genommen wurde. Das Gefühl ernst genommen zu werden kann wesentlich sein für die Bereitschaft weiter auf einer sachlichen Ebene miteinander zu kommunizieren. 
Mit einer konsequent systemischen Haltung und einem wertschätzenden Menschenbild können Gefahren erkannt und Konflikte im beruflichen Alltag minimiert und deeskaliert werden. Entscheidend ist die eigene Haltung, um intervenieren zu können, wenn sich Konflikte bereits anbahnen. 

Weiterbildung zum Systemischen Deeskalationscoach

Die Weiterbildung zum systemischen Deeskalationscoach bietet Fachkräften in Behörden, in Schulen und im Gesundheits- sowie Sozialwesen eine fundierte Weiterentwicklung im Bereich der Konfliktprävention und Deeskalation. Kommunikation und die Entstehung von Konflikten werden sowohl über theoretische Konstrukte analysiert als auch das Einüben und Anwenden konkreter Handlungsoptionen im Falle einer Auseinandersetzung.

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