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Wasseroberfläche in sich überschneidenen, kreisförmigen Wellen

Zirkuläre Fragen im systemischen Coaching

Zirkuläre Fragen gehören zu den systemischen Fragen, die ein wichtiges Werkzeug in jedem systemischen Setting sind und eine kraftvolle Form der Intervention für jede*n Berater*in und jeden Coach. Denn Berater*innen und Coaches stellen Hilfesuchenden Fragen, die sie sich selbst noch nicht gestellt haben. Mit gut gestellten Fragen wird die Aufmerksamkeit des*der Klienten*in auf Wichtiges gelenkt. Gefragte sind eingeladen, zu erzählen und erzählend den Dingen auf den Grund zu gehen. Dadurch werden auch für den*die Klient*in in kurzer Zeit viele neue Informationen erzeugt, die Veränderungen bewirken können.

Was sind systemische Fragen?

Systemische Fragen bezeichnen den Überbegriff für unterschiedliche Fragetypen in systemischer Beratung, Coaching und Therapie und haben – vereinfacht gesagt - das Ziel, für den*die Klient*in neue Perspektiven zu eröffnen und Lösungswege zu erschließen. Zirkuläre Fragen gehören zu den systemischen Fragen, wie auch beispielsweise lösungsorientierte Fragen, die Wunderfrage oder Skalierungsfragen. Die so genannten W-Fragen (was, wann, welche, wer, mit wem, wie, woran, wodurch – nicht: warum) eignen sich grundsätzlich besser in Coaching-Gesprächen als Ja-Nein-Fragen. Das liegt daran, dass W-Fragen offener sind und mehr von der Wirklichkeitskonstruktion der*des Befragten offenbaren. Dabei ist es gut, diese W-Fragen eher kleinschrittig zu formulieren, weil so beim*bei der Klienten*in das Gefühl einer wachsenden Kompetenz entsteht.

Was sind zirkuläre Fragen?

Zirkuläre Fragen werden auch als triadische Fragen bezeichnet und sind eine kraftvolle Fragetechnik. Das Ziel der zirkulären Fragen besteht darin, dass sich der*die Klient*in in die Gefühls- und Gedankenwelt einer anderen Person hineinbegibt.

Typische Beispiele für zirkuläre Fragen: 

Woran erkennt Ihr*e Kollege*in, dass Ihnen diese Aufgabe schwerfällt?
Wie würde Ihr*e Partner*in die Veränderung bemerken?

Zirkulär zu fragen, bedeutet also, um die Ecke bzw. im Kreis zu fragen, zum Beispiel durch das Einbringen einer Außenperspektive. Dem*Der Klient*in wird so ein Perspektivwechsel ermöglicht, indem er*sie über die angenommene Realität anderer, die mit ihm*ihr verbunden sind, nachdenkt. Situation werden so in ihrer Gesamtheit deutlicher, komplexe Zusammenhänge sichtbarer und eingefahrene Denkweisen können gelöst werden. 

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Woher kommen zirkuläre Fragen?

Diese systemische Fragetechnik geht auf die sogenannte „Mailänder Schule“ zurück – eine in den 1970er Jahren in Italien entstandene Arbeitsgruppe um Mara Selvini Palazzoli, einer italienischen Psychoanalytikerin und systemischen Familientherapeutin. Unter anderem wurde diese Gruppe durch Batesons Kybernetik Aufsätze und Watzlawicks Kommunikationstheorie inspiriert und entwickelte zirkuläre Fragen für ihre Arbeit mit Familien.

Wie funktionieren zirkuläre Fragen?

Der*Die Klient*in wird durch eine zirkuläre Frage dazu eingeladen, die Perspektive zu wechseln und sich in die Position, Gefühls- und Gedankenwelt eines*r Dritten zu versetzen. So werden Kunden*innen, Kollegen*innen, Ehepartner*innen, Freunde*innen und Bekannte einbezogen, also alle, die mit dem*der Klienten*in und dem Problem in Zusammenhang stehen. Für Coach und Klient*in werden mit den Antworten zwischenmenschliche Beziehungen transparent und bislang ungenannte Zusammenhänge greifbar. Die zirkuläre Frage regt dazu an, Hypothesen über Haltungen, Gedanken, Emotion oder Beweggründe zu bilden. Der*Die Klient*in äußert also Mutmaßungen, was diese*r Dritte denken, fühlen, antworten oder tun würde. 

Dabei wirken zirkuläre Fragen oft anregend, das heißt die Klient*innen fühlen sich eingeladen, sich spielerisch jenseits stereotypischer Antworten zu äußern. Dass diese Beschreibungen den eigenen Vermutungen entsprechen und nicht den Tatsachen, ist ein automatisch ablaufender Bewusstseinsprozess. Daran geknüpft verändern sich das eigene Denken des*der Klienten*in, Glaubenssätze oder auch einschränkende Sichtweisen. Festgefahrene Überzeugungen und Blockaden, aber auch Unsicherheiten können so aufgelöst werden. Außerdem lernt der*die Klient*in dabei, sich in die Welt des Gegenübers einzufühlen und kann so Positionen von anderen oder auch Handlungen oft besser verstehen. Auch wird Klienten*innen so oft deutlich, wie sehr die eigenen Verhaltensweisen mit denen anderer verknüpft sind.

 

Die Chancen und Herausforderungen von zirkulären Fragen

Zirkuläre Fragen gehören zu den systemischen Methoden und werden sehr häufig in Coachinggesprächen verwendet. Denn diese Fragemethode wird den Prozessen und der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen gerecht. Es kann sinnvoll sein, dass der Coach den*die Klient*in darauf hinweist, dass die kommende Frage etwas seltsam erscheinen kann, da zirkuläre Fragen oft erstmal unkonventionell wirken und die Gefahr besteht, dass sich der*die Klient*in nicht ernst genommen fühlt. Zwar kann Irritation im Coachingprozess hilfreich sein, gleichzeitig kann Widerstand den Coachingerfolg auch nachhaltig verhindern.

Noch ein Hinweis zur Verwendung: Es ist notwendig, dem*der Klienten*in bei der Beantwortung zirkulärer Fragen genügend Zeit zu geben. Und auch nach der Antwort der Klienten*innen sollten sich Berater*innen für ihre Antwort Zeit nehmen. Pausen sind sehr wichtig und wirkungsvoll, sie würdigen das Geschilderte und geben sowohl dem*der Klient*in als auch dem*der Berater*in die Gelegenheit, das Gesagte nachwirken zu lassen. 

Zirkuläre Fragen ...

  • verdeutlichen für Coach und Klient*in die Beziehungen zwischen den System-Beteiligten.
  • ermöglichen Klienten*innen einen leichten Perspektivwechsel.
  • unterstützen das Empathievermögen des*der Klient*in. 
  • erleichtern das Lösen alter Denkmuster und das Verabschieden negativer Glaubenssätze.
  • können festgefahrene Situationen auflockern, sowohl im Coachinggespräch als auch im System.
  • können dem*der Klienten*in helfen, neue Lösungen, Ideen und Ansätze zu entwickelt.
  • verstärken das Bewusstsein für den Unterschied der eigenen Gedanken und realen Gegebenheiten. 
  • bieten eine oft unkonventionell erscheinende Möglichkeit, über das Alltagsverständnis hinaus zu gehen. 
  • haben Irritationspotential.

 

Die Einsatzmöglichkeiten im Coaching

Zirkuläre Fragen können nahezu unbegrenzt verwendet werden und sind in ihrer Form nicht standardisierbar. Die folgenden Ausführungen können nur als Andeutungen der Verwendungsmöglichkeiten verstanden werden: Zirkuläre Fragen können sowohl innerhalb der Auftragsklärung (1), in verschiedenen Coaching-Settings (2) als auch zum Abschluss des Coachings (3) verwendet werden. 

  1. Zu Beginn eines jeden Coachings steht die konkrete Auftrags- und Zielklärung. Dabei werden die Erwartungen des*der Klienten*in, die Auftraggeber*innen, die Arbeitsweise des Coaches, Schweigepflicht, Datenschutz usw. besprochen. Die Auftragsklärung ist konstituierend für jedes Coaching. Hier können zirkuläre Fragen besonders hilfreich sein, wenn sich unklare Erwartungshaltungen und eine diffuse Auftraggeber-Situation zeigen.  
  2. Im Einzelcoaching können über zirkuläre Fragen besonders negative Glaubenssätze und Situationszusammenhänge verdeutlicht werden, die mit starken Emotionen verbunden sind. Im Gruppenkontext eignen sich zirkuläre Fragen gut für Konflikt-Coaching von Teams und von Führungskräften. Die Unterstützung von Perspektivwechseln, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen, erleichtern die Kommunikation und die Konfliktbearbeitung deutlich.
  3. In der Abschlussphase des Coachings können zirkuläre Fragen zur Reflexion genutzt werden. Der*Die Klient*in vergegenwärtigt sich die Problemlösung und die diesbezüglichen Veränderungen aus unterschiedlichen Perspektiven. 

Beispiele für zirkuläre Fragen

Beispiele erleichtern oft den Zugang und geben Sicherheit in der Verwendung systemischer Fragen. Manche Fragenbeispiele sprechen unterschiedliche fiktive Mitglieder eines potenziellen Systems an, um verschiedene Kontexte zu verdeutlichen. Im Folgenden finden Sie Beispiele für Beratungsgespräche mit privaten Themen. Und im Anschluss Beispiele für Coachinggespräche mit beruflichen Themenstellungen.  

 

- in Beratungsgesprächen im privaten Kontext

Wie fühlt sich Ihre Mutter, wenn Sie sich mit Ihrer Schwester streiten?
Wie würde Ihre Partnerin diese Frage beantworten?
Woran würden Ihre Freunde merken, dass sich etwas verändert hat?
Was tut Ihr Mann, wenn Ihr Sohn das tut, was Sie aggressiv nennen?
Was glauben Sie, welche Wünsche für Ihre*n Partner*in gerade die höchste Priorität haben?
Warum hat Ihr Freund in dieser Situation so reagiert und nicht wie Sie es erwartet hätten?
Was denkt Ihre Nachbar*in, wenn er*sie grußlos vorbeigeht?
Wer reagiert am meisten auf das Problemverhalten, wer weniger? Wen stört es, wen nicht?

- im Coaching im beruflichen Kontext

Was denken Sie, wie sich Ihr*e Kolleg*in in dieser Situation fühlt?
Wie werden Ihre Mitarbeiter*innen reagieren, wenn Ihre Leitung besonders gut gelingt?
Wie merkt Ihr*e Kollege*in Y, dass Kollege*in X mehr Verantwortung übernimmt?
Wie wirkt die Kommunikation von A und B aus der Perspektive von C?
Was denken Sie, wie Ihre Chefin die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kollegen einschätzt? 
Wer leistet aus Sicht Ihrer Chefin bessere Arbeit? Sie oder Ihr*e Kollege*in?
Wenn Sie Ihren Vorgesetzten fragen, welche Atmosphäre im Team herrscht. Was würde er antworten?
Wer ist heute mit dem meisten Optimismus hergekommen, wer am skeptischsten?

 

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