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Chaos aus Buchstaben als Symbol für Legasthenie

Wie äußert sich die Lernstörung Legasthenie?

Hier finden Sie Informationen und Hintergrundwissen zur Lernstörung Legasthenie.

 

Welche Symptome kann es bei Legasthenie geben?

Das internationale Klassifikationssystem ICD-10 unterscheidet zwischen einer Lese- und Rechtschreibstörung (F81.0) und einer isolierten Rechtschreibstörung (F81.1). Beide werden den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fähigkeiten zugeordnet.

Sie sind von vorübergehenden Schwierigkeiten beim individuellen Lese- und Schreiblernprozess zu unterscheiden, die durch Erkrankungen, besondere seelische Belastungen oder Schulwechsel bedingt sind.

Die Begriffe Lese- und Rechtschreibstörung und "Legasthenie" (im Ausland Dyslexie) werden synonym verwendet.

Mögliche Symptome der Legasthenie

Symptome beim Lesen

Folgende Symptome kommen bei der Lernstörung Legasthenie im Bereich Lesen häufig vor:

  • Das Kind rät eher, als dass es liest.
  • Niedrige Lesegeschwindigkeit
  • Häufiges Stocken beim Lesen
  • Verlieren der Zeile im Text
  • Verzögerter Start beim Lesen
  • Falsche Wiedergabe von Worten bzw. Wortteilen: Auslassen, Verdrehen, Hinzufügen oder Ersetzen von Wörtern, Silben oder einzelnen Buchstaben
  • Vertauschen von Wörtern und Buchstaben
  • Textverständnisstörung: das Gelesene kann zum Teil nur unzureichend wiedergegeben bzw. interpretiert werden
  • Das Kind ist im Rechnen gut, hat aber Probleme mit Textaufgaben.


Symptome in der Rechtschreibung

Folgende Symptome kommen bei der Lernstörung Legasthenie im Bereich Rechtschreibung häufig vor:

  • Hohe Fehleranzahl und auffallend viele Grammatik- und Interpunktionsfehler
  • Fehlerinkonstanz: ein- und dasselbe Wort wird immer wieder unterschiedlich fehlerhaft geschrieben, häufig sogar im selben Text
  • Oft unleserliche Handschrift
  • Buchstabenverwechslung und -verdrehung (b-d, p-q, n-u)
  • Falsche Reihenfolge der Buchstaben innerhalb eines Wortes
  • Auslassen oder Einfügen von Buchstaben oder Wortteilen
  • Regelfehler: falsche Dehnung oder Groß- und Kleinschreibung
  • Wahrnehmungsfehler (d-t, g-k)
  • Schreiben nach Lautbild
  • Wortverstümmelungen (glet statt gelegt)
  • Kleinerer Wortschatz beim Schreiben als beim Sprechen

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Wie definiert sich Legasthenie?

Man spricht von der Lernstörung Legasthenie, wenn sowohl der Leseprozess als auch das Rechtschreiben deutlich hinter der zu erwartenden Leistung (nach Alter und Intelligenz) zurückbleiben. Wenn sich die Schwierigkeiten auf das Rechtschreiben beschränken und der Leseprozess nicht gestört ist, spricht man per Definition von einer isolierten Rechtschreibstörung. Bei beiden Störungen muss nach dieser Definition ausgeschlossen sein, dass sich die Minderleistung auf die Beschulung oder Seh- und Hörschwierigkeiten zurückführen lässt.

Häufigkeit und Verlauf

Hier finden Sie einige Daten und Informationen zu Häufigkeit und Verlauf von der Lernstörung Legasthenie.

  • In den industrialisierten Ländern gelten 2 - 4 % der Schüler*innen als lese- und rechtschreibschwach. Etwa ein Zehntel der Schüler*innen verlässt die Schule ohne ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse.
  • Es ist belegt, dass etwa 5 - 10 % der Jugendlichen und Erwachsenen das Lesen und Schreiben nicht ausreichend beherrschen, um ihren Alltag zu meistern. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen (Verhältnis 3:1).
  • Kinder mit Lesestörungen lesen auch außerhalb der Schule nur sehr wenig bzw. gar nicht. Dadurch verfestigen sich ihre Defizite im Lesen. Geringe Leseaktivität bedingt in der Regel einen begrenzten Wortschatz und einen mangelnden Erwerb von Weltwissen während der Schulzeit.
  • Eine Lese- und Rechtschreibstörung hat auch negative Auswirkungen auf andere Fächer, z.B. Textaufgaben im Mathematikunterricht.
  • Betroffene Schüler*innen haben meist schlechtere Noten und wiederholen häufiger eine Klasse.
  • Gemessen an ihren kognitiven Fähigkeiten erreichen Menschen mit einer Lese- Rechtschreibstörung ein zu geringes Schulabschluss- und Berufsausbildungsniveau.
  • Die Arbeitslosenrate ist unter Legasthenikern*innen deutlich erhöht.
  • Eine Lese- und Rechtschreibstörung ist also keine vorübergehende Erscheinung, sondern eine lebenslange Beeinträchtigung.

Die Lernstörung Legasthenie tritt häufig mit anderen Entwicklungsstörungen gemeinsam auf bzw. bringt folgende Begleit- und Folgesymptome mit sich:

  • Rechenstörungen ("kombinierte Schulleistungsstörung")
  • Schwierigkeiten der motorischen Koordination
  • Sprachschwierigkeiten (z.B. expressive bzw. rezeptive Sprachstörung)
  • Emotionale Probleme (niedriges Selbstwertgefühl, mangelndes Selbstkonzept)
  • Verhaltensschwierigkeiten (z.B. Störungen des Sozialverhaltens, Vermeidungsverhalten)
  • Hyperkinetische Störungen (ADS / ADHS)
  • Psychosomatische Beschwerden (Bauchweh, Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen usw.)
  • Soziale Schwierigkeiten (Ausgrenzung, Kontaktprobleme, Stigmatisierung)
  • Überforderung, Verunsicherung, Resignation, Schulangst, Misserfolgsorientierung
  • Hausaufgabenprobleme
  • Familiäre Konflikte (z.B. Hausaufgabensituation)


Wie wird Legasthenie diagnostiziert?

Die Diagnose der Lernstörung Legasthenie wird durch Ärzte*innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. -psychotherapie gestellt und muss aufgrund der verschiedenen Untersuchungsebenen interdisziplinär erfolgen. Bestandteile einer fundierten Diagnose für Legasthenie sind insbesondere:

  • Standardisierte Lese- und Rechtschreibtests, z.B. Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT)
  • Standardisierte (sprachfreie) Intelligenztests, z.B. Kaufman Assessment Battery for Children (K-ABC)
  • Ausführliches Gespräch über die Entwicklung des Kindes und die familiäre Situation, Beschreibung des Leistungsstands im Lesen und Rechtschreiben sowie die Verhaltensweisen des Kindes im Unterricht durch einen Schulbericht
  • Psychologische Untersuchung zur Erfassung der emotionalen und persönlichen Entwicklung des Kindes
  • Ärztliche Diagnostik zur Überprüfung der Seh- und Hörfunktionen, um periphere Störungen auszuschließen
  • Beurteilung der Sprechentwicklung.

Wichtig ist dabei auch die enge Zusammenarbeit mit Lehrern*innen und Eltern, um verschiedene Fragen zu schulischen Leistungen und zum allgemeinen Entwicklungszustand (Körper, Motorik, Sprache) des Kindes zu klären.

Ursprung und Erklärungsansätze

Die Ursprünge der Lernstörung Legasthenie sind unterschiedlich. Eine Lese- Rechtschreibstörung entsteht durch verschiedene Fertigkeitsdefizite, die zum Teil genetisch veranlagt sind. Demnach ist bei der Entstehung einer Legasthenie von einem Zusammenwirken verschiedener Faktoren auszugehen. In der aktuellen Forschung werden folgende Einflussfaktoren und Erklärungsansätze diskutiert:

Genetische Disposition bei Legasthenie

Verschiedene Studien (vor allem in der Zwillingsforschung) haben gezeigt, dass die Lese- und Rechtschreibstörung familiär gehäuft auftritt. Es gibt eine genetische Disposition für die Entwicklung einer Lese- und Rechtschreibstörung.

Auditive und / oder visuelle Wahrnehmungsstörungen bei Legasthenie

Bei Betroffenen ist die Fähigkeit gestört, lautliche Segmente der Sprache zu unterscheiden und im Gedächtnis zu speichern. Sie haben große Probleme, einzelnen Buchstaben die entsprechenden Laute und umgekehrt den Lauten die Buchstaben zuzuordnen. Regionen des Großhirns, die im Wesentlichen bei der Wahrnehmung und Unterscheidung von Sprachreizen und Lauten aktiviert werden, sind bei Betroffenen signifikant geringer aktiviert. Weitere Untersuchungen zeigen, dass visuelle Wort- bzw. Buchstabeninformationen in spezifischen Hirnarealen deutlich verzögert und ineffektiver wahrgenommen werden. Es kommt zu Störungen im Bereich des Lernens und des auditiven Gedächtnisses. Bei der Legasthenie liegt ferner eine spezifische Gedächtnisschwäche für schriftsprachliches Material vor.

Defizite in der phonologischen Bewusstheit bei Legasthenie

Als phonologische Bewusstheit bezeichnet man die Fähigkeit, Wörter in Silben zu zerlegen, Silben zu Wörtern zusammenzusetzen, Anlaute zu erkennen, aus Lauten ein Wort zu bilden oder ein Wort in seine Laute zu zerlegen. Bei Menschen mit legasthenem Erscheinungsbild zeigen sich hier signifikante Defizite.

Defizite im Lernverhalten sowie in der familiären und schulischen Förderung bei Legasthenie

Kinder mit einer Lese- Rechtschreibstörung leiden häufig auch unter Störungen der Aufmerksamkeit. Mangelndes Durchhaltevermögen und Konzentrationsschwierigkeiten im Unterricht oder bei den Hausaufgaben erschweren den Schriftspracherwerb zusätzlich. Mangelnde familiäre Förderung (häusliche Lesesozialisation) erhöht das Risiko einer Lese- Rechtschreibstörung zusätzlich. Im Schulunterricht haben sowohl die Klassenführung (z.B. klare Regeln und Ermöglichung eines störungsfreien Unterrichts) als auch das didaktische Vorgehen (Systematik des Lesen- und Schreibenlernens) einen großen Einfluss.

Lernstörung Legasthenie und Schule

In der heutigen Gesellschaft gilt die Beherrschung der Schriftsprache als Indiz für Bildung und Intelligenz. Legastheniker*innen hatten in der Vergangenheit immer wieder das Problem, dass sie als dumm und/oder faul stigmatisiert wurden und dass ihnen eine höhere Schulbildung versagt blieb. Mittlerweile ist Legasthenie als Störung anerkannt, und es gibt in allen Bundesländern sogenannte "Legasthenie-Erlasse", die Schülern*innen mit einer anerkannten Lese- Rechtschreibstörung bestimmte Rechte einräumen, z.B. Zeitzuschlag oder Notenschutz. Da die Legasthenie-Erlasse von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden sind, gilt es, sich den jeweiligen Erlass genauer anzusehen.

Wie kann man Legasthenie behandeln? 

Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben sind über die Schulzeit hinweg sehr stabil. Kaum ein*e Betroffene*r schafft es, ohne intensive Förderung bis zum Ende der Pflichtschulzeit, diese Schwierigkeiten zu überwinden.

Kinder und Jugendliche mit der Lernstörung Legasthenie brauchen spezielle Unterstützung und Therapie. Es gibt dabei verschiedene Behandlungsmöglichkeiten:

  • Die Schwierigkeiten beim Lesen lassen sich durch Therapie und Förderung eher beseitigen, die Rechtschreibschwierigkeiten hingegen halten sich meist bis ins Erwachsenenalter.
  • Ziel von Interventionen: Systematische Verbesserung des Lesens und Schreibens ausgehend vom aktuellen Entwicklungsstand des*der Betroffenen und seinen*ihren besonderen Schwierigkeiten.
  • Vor der Einschulung und zu Beginn der Grundschulzeit liegt der Schwerpunkt auf der Förderung der phonologischen Bewusstheit, z.B. spielerische Übungen mit Reimwörtern, das Austauschen von Vokalen ("Drei Chinesen mit dem Kontrabass - Dri Chinisin mit dim Kintribiss"), usw.
  • Im Erstleseunterricht, bzw. bei schwerwiegenden Defiziten auch später noch, steht die Förderung der Buchstabenkenntnis, der Buchstaben-Laut-Zuordnung und der phonologischen Rekodierung im Mittelpunkt.
  • Wenn grundlegende Lesefähigkeiten bereits beherrscht werden, geht es darum, die Lesegeschwindigkeit zu erhöhen. Dies ist notwendig für die Verbesserung des Leseverständnisses.
  • Vermittlung von Lesestrategien
  • Intensives Rechtschreibtraining (z.B. Kieler Lese- und Rechtschreibaufbau oder Marburger Rechtschreibtraining)
  • Material, Aufgaben und Texte sollen so ausgewählt werden, dass Betroffene sie bewältigen können (Schaffen von Erfolgserlebnissen) und dass sie subjektiv bedeutsam sind (Interesse wecken). Innerhalb einer Klasse / eines Kurses brauchen die Schüler*innen unterschiedliche Angebote und unterschiedliche Lernzeit (Individualisierung bzw. Binnendifferenzierung).


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